Gottesdienst Predigt vom 19.03.2017

Predigt zu Mk 12, 41-44 – Pastor Henning Hinrichs


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
Es war wohl wieder einer dieser Tage, an denen er sich rumplagen musste. Solche Tage waren lang, weil sie vollgestopft mit Gesprächen waren. Und doch konnte er den Eindruck haben, dass es einfach nicht weiterging. Nicht weiter mit Verständigung, nicht weiter mit dem, was er doch eigentlich wollte. Es war so mühsam, das wieder in Bewegung zu bringen, was seit eh und je in den gewohnten Bahnen lief, fester als Stein. Da konnte er reden, überreden, begründen, provozieren. Doch die Gemüter gerade der Klugen, der gebildetsten unter den Städtern blieben so unverrückbar wie ein Mühlrad in der Trockenzeit.
Ja sicher, seine Freunde nickten wie selbstverständlich zu dem, was er sagte. Aber das taten sie doch immer. Auch die Masse jubelte ihm zu, aber sagten die nicht zu jeder neuen Mode Ja und Amen, bis eben die nächste Mode kommt und sie dich fallen lassen? Was waren denn seine Worte wert, wenn sie nur die Freunde, nicht aber die Gegner erreichten?, dachte sich Jesus.
Ja, die Gebildeten Jerusalems, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, die Ältesten und Pharisäer gingen gegen ihn an. Die Schlauköpfe und Schlaumeier stießen seine Worte von sich. Sie wollten nicht, dass er ihren Mühlrädern lebendiges Wasser gab, damit sich in ihren Gehirnen wieder etwas tue. Die Klugen schienen die Unbeweglichsten zu sein. Hatten sie denn nicht schon ihre Wahrheit gefunden? Und ganz nah bei ihnen standen die Reichen Jerusalems. Hatten sie nicht schon alles, mehr als alles, was sie zum Leben brauchten? Was sollte ihnen Jesus noch geben können?
In dieser Situation spielt der Predigttext für den heutigen Sonntag Okuli. Er steht im Markusevangelium im 12. Kapitel.
Und Jesus setzte sich dem Opferkasten gegenüber und sah zu, wie die Leute Geld in den Opferkasten warfen und viele Reiche viel hineinwarfen. Und eine arme Witwe kam und warf zwei Heller ein, das ist ein Pfennig. Da rief er seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch, diese Witwe hat mehr eingeworfen als alle, die etwas in den Opferkasten eingeworfen haben. Denn alle haben von ihrem Überfluss eingeworfen, sie aber hat in ihrer Armut alles eingeworfen, was sie zum Leben hatte. Amen.
Eigentlich eine ganz schöne Geschichte. Es ist geradezu rührend, wie die Witwe ihren letzten Pfennig als Spende gibt. Dabei zählt sie doch selbst zu denen, die vom Wohlwollen der Begüterten abhängig sind.
Aber nun das. Die kaum etwas hat, nur zwei Heller, gibt alles hin. Verständlicher wäre es für mich, wenn sie nur einen Heller weggegeben hätte. Wenn sie Maß gehalten hätte in ihrer Selbstlosigkeit. Denk doch auch noch an dich selbst, möchte ich ihr wohl sagen. das ist doch Irrsinn. Denkst du gar nicht an morgen, arme Witwe? An das Brot, das du kaufen musst? Wovon sollst du morgen leben?
Doch nein, sie gibt alles.
Eine rührende, berührende Geschichte. Aber, und jetzt wird es etwas verquer, Jesus sagt nicht nur, dass sie alles, nein, er sagt, dass sie mehr als die Reichen gegeben hat. Nicht die Quantität, die Menge zählt für ihn, sondern allein die Qualität. Das zählt, was die Spende für die Geberin bedeutet. Sie gibt alles, auch wenn es verschwindend gering ist. Und nun? Das Wenige soll mehr sein als das Viele?
Jesus federt das etwas ab, da er ja die Reichen nicht einfach anklagt, sie würden gar nichts oder nur wenig geben. Nein, die Reichen waren keineswegs knauserig, sie wussten um ihre Verantwortung für die Belange ihrer jüdischen Gemeinschaft. Und deshalb geben sie viel. Sie können das und sie tun das auch. Was sollte man ihnen also vorwerfen?
Und doch ruht Jesu Blick allein auf der Witwe. Nur noch ihre klitzekleine Großtat bleibt in Erinnerung, ringt Anerkennung oder Erstaunen ab. Die Reichen vergesse ich schon bald nach dem Lesen dieser Bibelstelle.
Ist denn das gerecht? Ist die Höhe eines Betrages denn ganz unerheblich? Wenn Sie zu den Menschen gehören, die sich mit Finanzen beschäftigen müssen, werden Sie das anders sehen. In einem Unternehmen zählt natürlich die Geldmenge. Und das gilt auch für karitative Einrichtungen wie Brot für die Welt, das gilt selbst für unsere Kirche, die sich zu einem Teil aus Spenden finanzieren muss. Natürlich ist es wichtig, dass möglichst viel Geld zusammenkommt. Ansonsten kostet das Arbeitsplätze, sozialen Einsatz und alles, was eben auch fast nur mit Geld zu erreichen ist. Da sage mir keiner, dass man sich nicht doch gewaltig über eine große Spende freut.
Wer mit Geld zu tun hat, würde niemals sagen: Nicht die Menge des Geldes zählt, sondern allein die Einstellung der Geberin. Und er würde ebenso wenig sagen: Anerkennenswert ist deine Spende, wenn du alles, was du zum Leben brauchst, hergibst. Damit stößt man der Spendenbereitschaft der Menschen, der Reichen ebenso wie der Armen, vor den Kopf. Wer will dann noch geben? Muss ich gleich alles geben, mein gewohntes Leben lassen, um von Jesus Anerkennung zu erfahren? So scheinen Worte, wie wir sie in der Evangelienlesung gehört haben, gemeint zu sein. Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Diese Radikalität passt nicht zu unserem Alltagschristentum. Passen wir also nicht zu Jesus, er nicht zu uns?
Manche beruhigen sich damit, dass sie sich daran freuen, dass es anscheinend Menschen gibt, die so sehr von der Liebe zu Gott und einer Sorglosigkeit erfüllt sind, dass sie ihren letzten Heller, ihr letztes Hemd weggeben können. Gut, ich gehöre nicht dazu, aber diese Menschen könnten mir ein Bild dafür sein, dass es zumindest möglich ist. Aber reicht das?
Bei mir, der ich in vielfältigen Beziehungen und Bindungen stehen, wäre eine solche Tat meist verantwortungslos. Die Möglichkeit der Witwe, so komisch das klingt, die Ungebundenheit in ihrer Einsamkeit als Witwe, habe ich nicht. Mein Platz scheint ein anderer. Die Möglichkeit der Witwe habe ich nicht, aber ich habe das, was auch die Witwe trägt, was in ihrem Fall zur Hingabe des letzten Pfennigs führt. Auch ich haben die Zusage, dass Gott bei mir ist und mich annimmt wie Kinder, dem er nichts endgültig übelnehmen kann.
Gebt nicht erst alles hin, sondern empfangt erst einmal alles von Gott. Das war die Botschaft Jesu, die er nur mühsam in die Köpfe der Klugen und Gescheiten säen konnte, weil sie so denkbar einfach ist. Doch in der Witwe sieht er nun doch, dass diese Botschaft tatsächlich, dass die Liebe Gottes wirklich Menschen trifft, ihnen Zuversicht, Vertrauen in ihr Leben gibt, Gelassenheit. Und sie so zu Taten beflügelt, die fast schon himmlisch sind. Die schon ein Vorgeschmack darauf sind, wie Gemeinschaft, Leben mit Gott und den Menschen aussehen kann. Ein Stück Ewigkeit scheint in der Welt.
Auch ich lebe von dieser Botschaft, auch mich könnte sie frei machen, sie könnte mich leichter, ungebundener, unverkrampfter leben lassen. Damals am Opferkasten war es diese Tat, in der Liebe und Gelassenheit aufscheinen. Heute und bei mir sind es andere Taten. Ich brauche nicht alles hinter mir zu lassen, das Unmenschliche soll nicht meine Aufgabe sein, das Unmögliche soll ich nicht ermöglichen.
Dieses Wort, mit dem mich Gott anspricht, ist ein Wort, mit dem er einem Samen in mich einpflanzt, einen Samen für Taten der Liebe. Das sind dann Taten, die mir gerecht werden, die meinen Mitmenschen gerecht werden und die darin auch Gott gerecht werden. Das kann sich in einer Geldspende zeigen, oder im sozialen Einsatz, in der Schaffung von Arbeitsplätzen, in gerechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Formen solcher Taten sind vielfältig und je nach Mensch verschieden. Was ihnen aber gemeinsam ist, ist das Wahrnehmen meines Gegenübers, der mich braucht. Der mich vor eine Aufgabe stellt, die ich auch erfüllen kann.
Dann wird Jesus auch zu mir sagen: Schaut ihn euch an, er hat sich als von Gott angenommen erfahren und, was er konnte, hat er gegeben und getan.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen uns Sinne in Christus Jesus. Amen.

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