Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes du die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
im Juni war ich auf dem Kirchentag in Dortmund. Auf dem Markt der Möglichkeiten gab es einen Stand „Das Kirchenjahr erleben“. Für jeden Sonntag des Kirchenjahres gab es dort ein kleines Kärtchen mit dem Motto für den jeweiligen Gottesdienst. Für den heutigen Sonntag, dem 5. Sonntag nach Trinitatis, gab es dieses Kärtchen: Mut. Auf der Rückseite die Erläuterung: Glaube kann Mut erfordern – davon erzählen die Texte dieses Sonntags.
Zwei Texte über mutige Menschen haben wir schon gehört. Wir haben von Abraham gehört, der mutig genug ist aufzubrechen, der alles zurücklässt und sich auf den Weg macht, weil er Gott vertraut. Und wir haben von Simon Petrus gehört, der Mut und Vertrauen hat etwas zu wagen, auch wenn die Erfahrung dagegen spricht. Der schließlich seine Fischernetze zurücklässt und sich entscheidet seinen weiteren Weg mit Jesus zu gehen.
Der heutige Predigttext beginnt mit einer entmutigenden Situation, bei Matthäus im 9. Kapitel ist zu lesen:
35 Und Jesus zog umher in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen.
36 Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.
Eine Situationsbeschreibung, die uns nicht fremd ist und problemlos in unser Jahrhundert übertragen werden kann. „Als Jesus das Volk des 21. Jahrhunderts sah, jammerte es ihn; denn sie waren müde, manchmal ziemlich ratlos und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“ Jesus sieht. Damit fängt hier alles an. Er sieht Menschen. Er sieht nicht weg, er schaut nicht flüchtig drüber, er taxiert nicht nur aus sicherer Entfernung. Er sieht hin. Dabei sieht er auch hinter die Kulissen. Für ihn geht niemand in der großen Masse unter. Er nimmt den einzelnen Menschen wahr.
Er sieht die alleinerziehende Mutter, die sich mit ihren Kindern keinen Urlaub leisten kann. Er sieht den Ertrinkenden im Mittelmeer. Er sieht den frustrierten Wähler, der rechtspopulistische Parteien unterstützt. Er sieht die Schülerinnen und Schüler, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen. Jesus sieht – und er findet zum Erbarmen, was er sieht. Doch Jesus verliert nicht den Mut. Im Matthäusevangelium heißt es weiter:
37 Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.
38 Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.
Jesus benutzt ein mutmachendes Bild um mit der Situation umzugehen. Die Ernte ist groß, da geht noch was. Die orientierungslosen und mutlosen Menschen sind zum Heilwerden bestimmt. Gott hat mit ihnen etwas vor. Er gibt sie nicht auf. Nie. Niemanden. Das gilt auch für den, dessen Situation so verfahren ist. Und für die, die meine Vergebungsbereitschaft auf eine harte Probe stellt. Wie schnell sagen wir: „Ach, das bringt nichts. Das lohnt sich nicht!“ Jesus sieht dieselben Menschen und sagt: „Die Ernte ist groß.“
Also dann, Ärmel hochkrempeln, mutig voran und die Welt retten? Nein, es fängt ganz anders an, nämlich mit einem Gebet. Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende. Am Anfang aller Hilfe steht das Gebet. Der Theologe Hans von Keler hat einmal gesagt: Das Gebet ersetzt keine Tat, aber es ist eine Tat, die durch nichts zu ersetzen ist. Für Jesus ist beten die Grundlage für die Hilfe. Beten und Helfen gehören für ihn zusammen. Dabei ist die Reihenfolge zu beachten. Zuerst kommt das Beten und dann die Hilfe.
Ich muss nicht gleich die Ernte einbringen. Ich muss nicht die ganze Welt retten. Doch das, was jeder und jede ganz persönlich im Angesicht von Not und Leid und Elend in dieser Welt tun kann, das ist beten. Und dazu fordert Jesus uns alle auf: bittet Gott, dass er Arbeiterinnen und Arbeiter in die Ernte senden möge. Erntehelfer, die er für eine bestimmte Arbeit ausgewählt hat. Gott braucht Erntehelfer, keine Welt-Retter. Er braucht Menschen, die sich von ihm zeigen lassen, welche Aufgabe für sie dran ist. Männer und Frauen, die mutig diese eine Aufgabe übernehmen und alles andere getrost Gott überlassen.
Gott sucht für bestimmte Aufgaben bestimmte Menschen. Im Matthäusevangelium wird weiter berichtet, dass Jesus 12 konkrete Personen beruft. Sie werden namentlich genannt. Der Name macht unverwechselbar
1 Und Jesus rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.
2 Die Namen aber der zwölf Apostel sind diese: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder;
3 Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus;
4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet.
5 Diese Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht nicht in eine Stadt der Samariter,
6 sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.
7 Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
12 Menschen bekommen einen besonderen Auftrag. Einige ihrer Namen sind uns vertraut - von Simon Petrus und seinen Fischerkollegen haben wir heute schon gehört. Manch einem wird bestimmt Thomas etwas sagen. Thomas, der Zweifler, der nur das glaubte, was er mit eigenen Augen sehen konnte. Ein Zöllner ist in dieser Runde vertreten, einer der von der römischen Besatzungsmacht angestellt war. Und schließlich Judas, ein Freiheitskämpfer, der später zum Verräter geworden ist.
Es ist verblüffend, dass Jesus diese völlig unterschiedlichen Menschen beauftragt: Fischer, Zöllner, Skeptiker, Widerstandskämpfer. Menschen, die wohl niemals gedacht hätten, dass sie jemals mit den anderen zusammenarbeiten würden. Doch bei Jesus sind alle Unterschiede, alle Differenzen, die Menschen miteinander haben, aufgehoben. Menschen spüren: Wir gehören zusammen, weil wir zusammen am Reich Gottes arbeiten.
Vielleicht tun uns diese Einsichten gut, wenn wir an unsere Gemeinde denken. Vermutlich gibt es in jeder Kirchengemeinde unterschiedliche Meinungen, Anschauungen und Vorstellungen von dem, was eine Gemeinde sein soll und was eine Gemeinde zu tun hat. Aber wie unterschiedlich die Ansichten auch sein mögen, es ist immer wichtig, sich daran zu erinnern, dass es nicht um die Verwirklichung persönlicher Interessen geht, sondern dass es um die Menschen geht, die Hilfe benötigen. Die Ernte ist groß und Gott beauftragt Menschen bei der Ernte zu helfen.
Die Jünger haben einen besonderen Auftrag, sie wurden zunächst ausschließlich zum jüdischen Volk gesandt. Unser Auftrag ist am Ende des Matthäusevangeliums zu lesen, dort sagt der auferstandene Christus: „Geht hin und lehret alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Christ/Christin bin ich nicht nur für mich. Und eine Kirchengemeinde ist nicht nur für sich selbst da. Kirche ist nicht Kirche zum Selbstzweck.
Hab Mut dich für andere einzusetzen und dort zu wirken, wo du gebraucht wirst. Lerne, Menschen liebevoll wahrzunehmen als Menschen, bei denen aus Gottes Sicht noch was geht. Nimm deinen Auftrag als Erntehelferin, als Erntehelfer an. Aber zu allem, was wir tun und was wir selbst tun können, gehört das Gebet. Das Gebet, das Gott von Herzen bittet, Arbeiter in seine Ernte zu schicken. Nicht wir lösen die Sorgen der Welt. Das kann nur Gott, Aber wir können beten und auf ihn hören, wenn er uns für einen besonderen Dienst beruft.
Und der Friede Gottes, der größer ist als unser menschlicher Verstand, bewahre unsre Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.