Gottesdienst Predigt 04.11.2018

Predigt zu Römer 13, 1 – 7 – Pastor Henning Hinrichs

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

gebt dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht, und Gott, was Gott zusteht.

Mit dieser Antwort nimmt Jesus den Pharisäern den Wind aus den Segeln. Sie hatten Jesu Reden gehört, hatten davon gehört, dass die Menschen sich ganz nach Gottes Willen ausrichten sollten, der Frieden will, ja so sehr ausrichten sollten, dass sie im Konfliktfall sogar die andere Wange hinhalten sollten, wenn sie auf die eine geschlagen würden, dass sie sogar für ihre Feinde beten sollten, statt sie zu bekämpfen. Christen sollten anders sein, anders handeln, ganz von Gott erfüllt. Welchen Platz konnte da noch der Kaiser haben, wenn die Christen alles für ihren Gott tun wollen. Alles für Gott, also nichts für den Kaiser? Also auch z.B. keine Steuern zahlen? Ein naheliegender Gedanke.

Dieser Konflikt lässt sich bis in unsere Tage weiterziehen. Wir haben zwar keinen Kaiser mehr, aber doch einen Staat, der von seinen Bürgern Gehorsam gegenüber den Gesetzen fordert. Diese Gesetze sind zudem nicht selbstherrlich aufgedrückt, sondern von einem demokratisch gewählten Parlament beschlossen. Unsere Gesetze, so der Anspruch, dienen allen, also haben sich auch alle daran zu halten. Mit ihnen wird der gesellschaftliche Friede gesichert. Und deshalb sind sie sinnvoll. In der Frage des in manchen Kirchengemeinden praktizierten Kirchenasyls stehen sich allerdings staatliche und kirchliche Rechtsauffassung gegenüber. Der Staat will nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren abgelehnte Asylbewerber abschieben, wohingegen Kirchengemeinden in aus ihrer Sicht begründeten Fällen diesen Unterschlupf gewähren und so die Abschiebung verhindern. Nicht grundsätzlich, aber in den Fällen, wo aus ihrer Sicht Zweifel an der Berücksichtigung aller relevanten Sachverhalte wie etwas Gefahr für Leib und Leben durch Verfolgung, Folter. Könnte das Gericht nicht diese Gefahren falsch oder zumindest nicht ausreichend geprüft haben?

Und hat Petrus nicht gesagt: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29b).

Kirchenasyl ist ein Verstoß gegen das Gesetz – aus christlicher Sicht geboten. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht, und Gott, was Gott zusteht. Jesus trennt diese beiden Bereiche. Für einen Teil eures Lebens ist der Kaiser, wir würden sagen: der Staat zuständig, für einen anderen Gott. Martin Luther hatte daraus die Aufteilung des Menschen in einen äußeren und einen inneren gefolgert. Kein Staat kann dir deinen Glauben, dein Seelenleben, deine Gedanken, vorschreiben. Die Gedanken sind frei. Aber er kann das Zusammenleben der Menschen, die äußeren Regeln festlegen, dass du z.B. zur Schule gehen musst, dich an Verkehrsregeln halten und Steuern zahlen musst. Nach außen musst du dem Staat gehorchen, aber im Innern bist du frei.

Er beruft sich dabei auf Paulus und geht noch weiter. Paulus schreibt: Jeder soll sich der Regierung des Staates, in dem er lebt, unterordnen. Denn alle staatliche Autorität kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt. Dem Staat den Gehorsam zu verweigern, heißt also, sich der von Gott eingesetzten Ordnung zu widersetzen. Wer darum ´dem Staat` den Gehorsam verweigert, wird zu Recht bestraft werden. Wer hingegen tut, was gut ist, braucht von denen, die regieren, nichts zu befürchten; fürchten muss sie nur der, der Böses tut. … Dann tu, was gut ist, und du wirst ´sogar noch` Anerkennung von ihr bekommen. Denn die Regierung ist Gottes Dienerin, und du sollst durch sie Gutes empfangen. Darum ´ist es auch richtig, dass` ihr Steuern zahlt. Denn die Beamten sind Diener Gottes, die ihre Pflicht tun, damit der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Gebt jedem das, was ihr ihm schuldet: Zahlt dem, der Steuern einzieht, die Steuern, zahlt dem Zollbeamten den Zoll, erweist dem Respekt, dem Respekt zusteht, und erweist dem Ehre, dem Ehre zusteht.

Zwei Konfirmandinnen haben dazu in der letzten Konfirmandenstunde geschrieben: „Stellt euch mal vor, ihr seid mit eurem kleinen Bruder, mit eurem Kind oder auch Enkelkind unterwegs. Ihr müsst eine Ampel überqueren, die Ampel ist aber rot. Euer Bruder, Kind, Enkelkind geht wie selbstverständlich zur Ampel und drückt auf den Knopf an der Ampel. Es wird grün und ihr geht wie gewohnt über die Straße. Ihr überlegt: Dass man nur bei Grün über die Straße gehen darf, ist eine Regel des Staates. So wie Paulus in seinem Römerbrief schon schreibt, dient der Staat Gott und hört auf ihn. Manchmal macht der Staat aber auch Dinge, die Gott nicht will, diesen Dingen sollte man nicht folgen, sondern auf Gott hören.“

Zwei Konfirmandinnen schrieben sogar: „Wie der Brief von Paulus an die Römer besagt, soll man sich dem Staat gegenüber gehorsam benehmen. Unsere Meinung dazu ist: Dass es allgemein gut ist, dass man dem Staat gehorcht, aber wenn man ein Gesetz aus Versehen missachtet, ist dies auch nicht so schlimm, solange es nicht häufig passiert. Wenn man aber Menschen Leid antut, ist dies eine sehr schlimme Tat, die niemals vorkommen darf.“

Man merkt hier schon, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht werden können. So wie ein Mensch das Zusammenleben schädigt, kann auch der Staat gegen Gottes Willen verstoßen. Und manchmal darf man auch ein Auge zudrücken, auf beiden Seiten. Für die Konfirmanden machen die staatlichen Regeln Sinn, aber sie misstrauen auch dem, was ein Staat durchsetzt. Vielleicht liegt das daran, dass „der Staat“ eben auch nur eine Ansammlung interessengeleiteter Menschen ist, die auch falsch liegen können oder eigennützig handeln können. Und dass, um auf das Beispiel vom Kirchenasyl zurück zu kommen, vielleicht auch Gerichte irren oder ihre Arbeit eben nicht perfekt durchführen können. Dass 90 % der durch ein Kirchenasyl wieder aufgenommenen Verfahren mit der Bewilligung des Asyls enden, könnte jedenfalls darauf hindeuten.

Und ist das nicht auch demokratisch gedacht, misstrauisch gegenüber dem Staat sein zu dürfen, eben gegen das Menschliche am Staat. Diese direkte Linie von Gott zum Staat, der Staat als von Gott eingesetzt, würden wir heute nicht mehr herstellen. Oft genug haben sich Staaten als Fratze des Teufels und nicht Gottes Liebesgesicht entpuppt. Menschen, die sich von Gott eingesetzt meinen, haben diese Macht oft genug ausgenutzt. So wie Menschen immer nach ihrem Vorteil aus sind.

Zwei Konfirmanden schrieben: „Ich habe letztens die Sendung „Markt“ im NDR gesehen. Diese Sendung hilft, Menschen, die im Streit gegen ein größeres Unternehmen nicht weiterkommen, da diese (Unternehmen) den hohen Preis beim Schaden oder ähnlichen Dingen nicht zahlen wollen. Die Opfer haben meist einen Vertrag, aber der nütz ihnen hier nicht viel. Daraus schließen wir also, dass viele große Unternehmen nur auf Gewinnmaximierung und nicht auf das Einhalten der Gesetze Gottes aus sind.“

Wir wählen unsere Volksvertreter, wir lassen sie nicht von Päpsten wie im Mittelalter oder Erzbischöfen wie in Monarchien einsetzen. Und das ist gut so. An den Autokratien und Diktaturen auf der einen Seite und unseren veränderten politischen Vorstellungen von Demokratie und Mitbestimmung auf der anderen Seite kommt Paulus an eine Grenze.

Wie gut, dass wir Paulus und Petrus haben: Gehorsam ja – wo er das Zusammenleben regelt und fördert, Gehorsam nein, wo er zum Feind des Lebens wird. Und zwei Konfirmanden ergänzten: „Paulus sagte, dass man dem Staat gehorsam sein muss, weil es Gottes Wille ist. Aber er hatte ein bisschen Unrecht, denkt man nur an Adolf Hitler. Oder würdet Ihr jemanden erschießen, wenn ihr es von einem Staat gesagt bekommt? Und das ist nicht richtig, denn die 10 Gebote sagen: Du sollst nicht töten.“

Beides gilt: Gehorsam und Gewissen. Jeder soll sich der Regierung des Staates, in dem er lebt, unterordnen und: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Amen.