Gottesdienst-Predigt am 25.03.2018

Predigt zu Johannes 17, 1 – 8(.9-11) – Pastor Henning Hinrichs

 


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
fünf Tage noch, fünf Tage, dann wird diese Kerze da, die im Gottesdienst Jesus Christus symbolisiert, ausgelöscht. Das passiert sonst nie, sie brennt immer im Gottesdienst. Aber am kommenden Karfreitag, wenn wir uns an Jesu Kreuzigung erinnern, da geht Michael Gaus nach der Lesung hin und bläst sie aus.
Wir werden da stehen, schweigend verfolgen, wie der Rauch des verglimmenden Dochtes aufsteigt. Und irgendwann löst sich auch der letzte Rauchfaden vom Docht, verschwindet, und die Kerze ist verloschen.
Gut, es ist nur eine Kerze, aber ihr Verlöschen steht für das Sterben Jesu, und so holt sie ein tatsächliches Sterben in diesen Gottesdienst, in unser Erleben hinein - und das macht dieses Verlöschen der Kerze geradezu dramatisch. Es führt einem noch einmal vor Augen, was es heißt, dass jemand Wichtiges gestorben ist.
Gerade eben wurde er von den Massen noch unter frenetischem Jubel empfangen. Wir haben es ja in der Lesung gehört. Alle Hoffnungen hingen an ihm: Du bist der Messias, jetzt wird alles anders für uns. Mit seinem Tod ist da ja nicht nur die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, es ist gleichzeitig, und vielleicht wiegt das in den Augen der Menschen noch mehr, es ist der Verlust der eigenen Hoffnung. Sie dachten: Es gibt Hoffnung und Befreiung, Freude, und es wird gut, richtig gut. Wenige Tage später war alles weg. Das war nicht nur Jesu Ende, es war ihr Ende.
Im Erleben seiner Jünger, der jubelnden Massen muss sein Tod ein tiefer Schock gewesen sein. Für Jesus war es das, wenn man den Evangelisten glaubt, aber nicht. Er wusste, dass sein Weg ans Kreuz geht. Dass es so kommen muss und dass dieser Weg in den Tod auch noch Sinn macht. Für Jesu Jünger bedeutet das Kreuz das Ende. Für Jesus ist es eine Erhöhung, wie es im Wochenspruch zu Beginn hieß: Der Menschensohn muss erhöht werden, - und damit ist das Kreuz gemeint, erhöht ans Kreuz - auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,14b.15)
Dass dieses Kreuz, dieser Tod eine Erhöhung bedeutet, macht den heutigen Predigttext erst möglich. Denn was macht ein Jesus, der von seinem nahen Tod weiß? Nein, er läuft nicht etwa weg, er schlägt nicht verzweifelt um sich, nein. Er entspricht auch jetzt ganz seinem Auftrag: Er ist auch jetzt noch für andere da, er betet für sie zu Gott. Ja, er weiß, dass sich mit seinem Leben mehr ereignet als sein ganz persönliches Glück oder Unglück. Er hat einen Auftrag. Er ist im Auftrag des Herrn unterwegs – bis zu seinem Tod und sogar durch seinen Tod hindurch.
Jesus betet:
Vater, die Zeit ist jetzt da. Offenbare die Herrlichkeit deines Sohnes, damit der Sohn deine Herrlichkeit offenbart. Du hast ihm ja Macht über die ganze Menschheit gegeben, damit er allen, die du ihm anvertraut hast, das ewige Leben schenkt. Und das ewige Leben zu haben heißt, dich zu kennen, den einzigen wahren Gott, und den zu kennen, den du gesandt hast, Jesus Christus. Ich habe das Werk vollendet, das du mir aufgetragen hast: Ich habe hier auf der Erde deine Herrlichkeit offenbart. Und nun, Vater, gib mir, wenn ich wieder bei dir bin, von neuem die Herrlichkeit, die ich schon vor der Erschaffung der Welt bei dir hatte.
Jesus hat seinen Auftrag erfüllt: Nicht alle, aber anscheinend die, die es sollten, haben von Gott erfahren, kennen ihn, glauben an ihn, sehen in Jesus Gottes Gesandten, und irgendwie ist ihnen damit auch das ewige Leben geschenkt. Und jetzt, da sein Auftrag erfüllt ist, will er wieder zurückkehren an den Ort, wo er bereits vorher war, vor Erschaffung der Wert, mit der Herrlichkeit, die er bereits vorher seit je her hatte: An die Seite Gottes.
Das Wort Herrlichkeit zieht sich durch den ganzen Text. Offenbare die Herrlichkeit deines Sohnes, damit der Sohn deine Herrlichkeit offenbart…. Ich habe hier auf der Erde deine Herrlichkeit offenbart. Und nun, Vater, gib mir, wenn ich wieder bei dir bin, von neuem die Herrlichkeit, die ich schon vor der Erschaffung der Welt bei dir hatte.
Herrlichkeit, das hört sich vielleicht zuerst an wie ein besonderer Glanz, ein Leuchten. Immerhin heißt es in der Weihnachtsgeschichte: Da trat der Engel des Herrn zu den Hirten, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie, und sie fürchteten sich sehr. (Lukas 2,9)
Aber Herrlichkeit ist mehr als ein Erstrahlen, mehr als etwas, das man nur sieht. Herrlichkeit ist das, was einer Person Gewicht und Ansehen verleiht und damit auch Macht und Autorität. Wenn Menschen die Herrlichkeit Gottes sehen, dann erkennen sie Gott als Ihre Autorität, als ihren Gott an. Die Herrlichkeit Gottes zu sehen ist mehr als ein Sehen, es ist auch ein Ausrichten nach Gott, ein Leben nach dem, was er mir sagt, eine Beziehung.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir, du hast sie mir gegeben, und sie haben sich nach deinem Wort gerichtet. Sie wissen jetzt, dass alles, was du mir gegeben hast, tatsächlich von dir kommt. Denn was du mir gesagt hast, habe ich ihnen mitgeteilt, und sie haben es angenommen und haben erkannt, dass ich wirklich von dir gekommen bin; sie sind zu der Überzeugung gelangt und glauben daran, dass du mich gesandt hast.
Und in diese nahe Beziehung mit seinem Vater will Jesus jetzt zurückkehren. Auftrag erfüllt. Mission beendet, Abflug. Er kann zurückkehren.
Mich erinnert das an die Neuverfilmung der „Raumschiff Enterprise“-Serie aus meiner Jugend. Diese Filmen fangen immer mit einer Mission irgendwo im Weltraum an, auf einem fernen Planeten, bei der dieser Planet dann gerettet oder ein enormer Konflikt gelöst werden muss. Die Besatzung um Captain Kirk schafft das natürlich, erfüllt ihren Auftrag, und düst dann mit ihrem Raumschiff Enterprise neuen Abenteuern entgegen.
Einmal führt sie ihr Auftrag zu einem recht primitiven Volk, von dem sie schließlich verfolgt werden, ein Missverständnis. Sie sind eben primitiv, verstehen nichts. Gerade noch rechtzeitig wird Captain Kirk an Bord der Enterprise geholt und vor den Augen des primitiven Volkes taucht nun das riesige Raumschiff aus dem Meer, wo es versteckt lag, aus den Fluten auf. Voller Anbetung sinken diese so primitiven Leute, die vielleicht gerade mal das Rad erfunden hatten, auf die Knie. Sie meinen, einen neuen Gott gesehen zu haben. Auch das ein Missverständnis.
Ist das Kreuz auch so ein Missverständnis?
Für Jesus ist es eine Erhöhung, durch seine Kreuzigung und Auferstehung verherrlicht ihn Gott, zeigt seine und Jesu Macht und Bedeutung. Es ist das Mittel, um in das himmlische Reich zurückzukehren. Der Tod nur ein Mittel zum Zweck.
Und sind wir dann nur die primitiven Menschen, die einfach nicht sehen können, dass das Kreuz gar nicht so schlimm ist? Das klingt alles schon ziemlich abgespaced, nach Raumschiff Enterprise: Unendliche Weiten….Unnahbar, wie das Johannesevangelium eben manchmal klingt.
Ja, so wie Gott manchmal unnahbar erscheint, in seinem Schweigen, in seiner Undurchdringlichkeit, so ist es auch dieser Jesus aus dem Johannesevangelium.
Aber Personen, die nur ihren Auftrag sehen, sind eben auch kalt und unnahbar. Man mag sie nicht, hat keine Beziehung. Geschichten mit Beauftragten werden dann interessant, wenn sie Gefühle zeigen, wenn sie diese professionelle Mauer zu denen, für die sie beauftragt sind, nicht aufrecht erhalten können.
Da ist der Bodyguard, der sich in den Star verliebt, den er beschützen soll, der Profikiller, der sich um ein kleines Mädchen kümmert oder sich in sein Opfer verliebt, der Tatortreiniger, der in Gespräche mit Angehörigen und Zufallsbekanntschaften hinein schlittert. Dann wird es interessant, wenn mehr passiert als der Auftrag.
Und Jesus? Nur ein Auftrag? Weil er ganz zu Gott gehört, an seine Seite, mit göttlicher Herrlichkeit, sogar schon vor aller Zeit. Jesus in den unendlichen Weiten?
In dieser Passionsgeschichte passiert mehr. Deshalb haben wir nicht nur ein Evangelium, sondern vier. Vier, die vieles gleich, manches ähnlich und einiges wirklich anders erzählen. Im Johannesevangelium sind Jesu letzte Worte „Es ist vollbracht!“, bei Matthäus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Das zeigt die ganze Bandbreite zwischen Souveränität und Schmerz – und ich finde, dass das kein Makel, sondern eine Chance ist.
Ich muss mir immer wieder sagen: Ich kann diesen Gott und Jesus in ihm nicht fassen, es steckt immer mehr und anderes in ihm, Souveränität genauso wie Schmerz. Es ist nicht auszumachen, ob er nun mehr Mensch oder mehr Gott ist, es ist beides zu denken, und das geht ja eigentlich nicht. Der menschliche Verstand verlangt Eindeutigkeit – die wir bei Gott aber nicht aufdecken können. Gott ist anders. Er ist alles.
Ihn fassen, wenn überhaupt, nur vier Evangelien. So wie er sich eben offenbart hat und so, wie es jeweils erlebt wurde. Hier bei Johannes neigt er sich mehr auf die göttliche Seite, bei Matthäus mehr auf die menschliche Seite. Aber nie ganz.
Denn auch hier kommt Jesus den Menschen nah. Sein Gebet geht nämlich weiter: Für sie bete ich. Ich bete nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast; denn sie sind dein Eigentum. Alles, was mir gehört, gehört dir, und was dir gehört, gehört mir; und meine Herrlichkeit ist ihnen offenbar geworden. Bald bin ich nicht mehr in der Welt, ich komme ja zu dir. Sie aber sind noch in der Welt. Vater, du heiliger Gott, der du mir deine Macht gegeben hast, die Macht deines Namens, bewahre sie durch diese Macht, damit sie eins sind wie wir.
Da ist dann doch mehr als der Auftrag. Da muss auch jetzt noch, nach seinem Abflug, etwas weitergehen. Hilfe ist immer noch nötig. Da sind wir, die wir durch unseren Glauben mit Gott, mit Jesus in Beziehung stehen. Da sind wir, die wir anders als dieser Jesus anüber noch in der Welt sind. Noch erschüttert werden können, noch Krankheiten und Not erleiden müssen, noch nicht erhöht worden sind zum ewigen leben. Und für die das eigene Kreuz nicht einfach nur als Durchgang, sondern oft genug als Endpunkt, als bitterer Endpunkt erlebt wird.
Bald bin ich nicht mehr in der Welt, ich komme ja zu dir. Sie aber sind noch in der Welt. Vater, bewahre sie, damit sie eins sind wie wir.
Als souveräner Jesus ist dieser Jesus schon beeindruckend, ein cooler Held. Aber wirklich nah ist er mir in dem, wie er bei mir bleibt. Mit seinen Worten. Da, wo er mich berührt hat, sind die Wunden verheilt. Da, wo er für ich da ist voller Mitgefühl. Hier besonders in diesen Worten: Sie aber sind noch in der Welt. Vater, bewahre sie.
In fünf Tagen wird diese, seine Kerze gelöscht. Jesus stirbt, Gott stirbt. Und das hat mit mir zu tun, Gott wird mir in seinem Sterben sehr nah kommen. Er ist nicht nur Menschen geworden, er hat es auch durchlitten.
Komisch, es ist beides, was meine Hoffnung braucht: die Souveränität und den Schmerz Jesu, den coolen, wie den Mitfühlenden. Den Gott und den Menschen.
Er ist irgendwie beides.
Und der Friede Gottes, der größer ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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