Gottesdienst Predigt 25.12.2017

Predigt zu Römer 1, 1 – 7 - Pastor Henning Hinrichs

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
ich würde ja gern mal einem Engel begegnen. Wirklich. Einem richtigen Engel wie in der Weihnachtsgeschichte. Wie bewegend und überzeugend müsste das doch sein!
In diesem Jahr haben Vikarin Nina Junghans und ich für die Familienbildungsstätte eine Waldweihnacht in Böhmsholz für Familien mit Kindern veranstaltet und Frau Junghans ist in einem Moment im Engelskostüm, nach einem himmlischen Halluluja-Ruf, hinter einem Baum hervorgesprungen und hat den Weihnachtsengel gegeben: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren. Das war für Eltern und Kinder schön und für die Kinder vielleicht auch so ein klein bisschen, so mit Fackeln im dunklen Wald, ein klein bisschen geheimnisvoll.
Aber es war eben kein richtiger Engel, sondern unsere Vikarin. Sie hat es gut gemacht, aber, na ja, mit einem richtigen Engel wohl doch nicht zu vergleichen.
Aber geht es einem nicht jedes Jahr wieder so? Wir sprechen über jemanden, aber nicht mit den Akteuren. Wir treffen sie nicht: Nicht Maria und Joseph, die lebten vor 2000 Jahren, ein unüberwindbarer zeitlicher Graben. Aber auch nicht die Engel, nicht Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Sie sprechen so selbstverständlich zu denen, die in der Weihnachtsgeschichte und den Evangelien vorkommen, so klar und verständlich.
Glaube hat manchmal etwas von einer Fernbeziehung. Man weiß um den anderen, bekommt aber keinen Kontakt – jedenfalls nicht so unmittelbar wie in der Bibel.
Mittelbar schon.
Ich saß neulich mit einem Kollegen zusammen, der über einem Bibeltext brütete, der ihm so gar nichts sagte. Ein König traute sich darin nicht, von Gott etwas zu erbitten, ein Zeichen von Gott zu fordern. Er wollte Gott damit nicht zu nahe treten, sondern ehrfurchtsvoll und demütig sein. Der Prophet Jesaja sagt daraufhin: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Und dazu fiel ihm nichts ein. Vielleicht, weil es ja wirklich unter Christen verpönt ist, Zeichen von Gott zu fordern. Jesus selbst beschwert sich über das ständige Bedürfnis der Menschen um ihn herum nach Zeichen und Wundern. Dass Gott hier sagt: Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe! - das kann dann ja nur unverständlich bleiben. Das geht ja eigentlich gar nicht. Darf nicht sein.
Aber hier ist es doch gefordert, hier ist alles andere als Gott um ein Zeichen anzugehen langweilig und ermüdend. So wie unsere Gebete und Predigten in Gottesdiensten manchmal wenig überraschendes haben. Sie bitten oft nur um das, was man auch ohne Gott ganz gut hinbekommt. Wenn ich diesen Text ernst nehme, muss ich mir wohl Gott so vorstellen dass er sich unsere lauen Gebete anhört und sich denkt: Wie ermüdend! Zum Nachbarn können sie doch auch selbst hingehen. Denkt doch bitte mal etwas größer, liebe Christen!
Während unseres Gespräches erinnerte ich mich an Nicky Gumbel, der einen bekannten Glaubenskurs entwickelt hatte und der davon sprach, dass wir von Gott mehr erbitten sollten. Denn er wirkt und spricht doch in unser Leben hinein. Große Dinge genauso wie alltägliche Dinge. Er jedenfalls würde sich jeden Tag Zeit nehmen für ein Gespräch mit Gott, also fürs Gebet, und er würde ihn auch um das bitten, was er braucht, und diese Bitten würde er dann auch noch aufschreiben. Sozusagen als Qualitätsmanagement.
Das habe ich meinem Kollegen vorgeschlagen. Bitte doch Gott selbst jeden Tag, fordere Zeichen, und mach deine Erfahrungen im Gebet mit Gott. Und schau, schreib auf, was dabei heraus kommt. Und darüber predige. Mach `s wie im Predigttext von Gott gefordert.
Nicky Gumbel jedenfalls hat die Erfahrung gemacht, dass viele von den aufgeschriebenen Gebeten erfüllt worden sind, manchmal anders als von ihm gewünscht, manchmal erst Jahre später, und manche auch nicht oder noch nicht, wer weiß, aber doch eben viele. So kann man im Gebet und aus dem, was daraus folgt, eben doch die Erfahrung machen, wie Gott zu einem spricht, wie man sagen kann: das hat mir Gott gesagt, auch wenn es vielleicht eher die Ohren des Herzens oder meiner Gedanken sind, die ihn hören.
Ja, bislang bin ich noch keinem richtigen Engel begegnet, oder habe es nicht gemerkt, oder vielleicht gibt es sie auch gar nicht – aber auch ohne sie ist diese Nacht der Geburt etwas, was mich berührt. Was mich hoffen lässt auf etwas Geheimnisvolles und Großes, auch ohne Wunder, Engel und Erscheinungen.
Gott lässt die Welt nicht los, er wählt die größte Nähe. Gott wird Mensch.
Gott wird Mensch – das ist ja erst einmal nur ein Satz. Dieser kurze Satz wird lebendig in dem, was er in mir auslöst, in dem, wie ich mich und meine Sorgen und Freuden darin gespiegelt sehe, und ganz wichtig: er wird lebendig in den Menschen, denen ich begegne und in denen ich Gott leuchten sehe. Gott wird Mensch. Sonst bleibt es nur ein unverständlicher Satz, aber so wird es zu einem geheimnisvollen Schatz.
Von diesem Schatz, der Paulus befähigt, ja geradezu beauftragt, von Gottes Geheimnis zu erzählen, schreibt Paulus in den ersten Worten seines Römerbriefes, dem heutigen Predigttext:
Paulus, Diener Jesu Christi, ´an die Gemeinde in Rom`.
Gott hat mich zum Apostel berufen und dazu bestimmt, seine Botschaft bekannt zu machen, die er schon vor langer Zeit durch seine Propheten in der Heiligen Schrift angekündigt hatte. Es handelt sich um das Evangelium von seinem Sohn. Dieser stammt seiner irdischen Herkunft nach von David ab, und nachdem er von den Toten auferstanden ist, ist ihm – wie es das Wirken des Heiligen Geistes zeigt – die Macht gegeben worden, die ihm als dem Sohn Gottes zukommt.
Durch ihn, Jesus Christus, unseren Herrn, hat Gott mich in seiner Gnade zum Apostel für alle Völker gemacht, damit sie das Evangelium annehmen und an Jesus glauben und damit auf diese Weise sein Name geehrt wird.
Darum gilt mein Auftrag auch euch in Rom, euch, die ihr von Jesus Christus berufen seid. Ihr seid von Gott geliebt, ihr seid berufen, und ihr gehört zu seinem heiligen Volk. Euch allen ´wünsche ich` Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.
Für Paulus gab es keine Krippe, kein Kind in Windeln gewickelt, sein Weihnachten war anders, und doch ist für ihn das Gleiche passiert wie für Maria und Josef, wie für die Hirten und Weisen aus dem Morgenland. Gott ist Mensch geworden. Wir sind von Gott geliebt, wir sind berufen, und wir gehören zu seinem heiligen Volk.
Hinter diesen Worten steht die Wahrheit, die so einfach wie überwältigend ist: Die letzte Wirklichkeit, die Ewigkeit, die Quelle des Lebens geht mit uns Menschen ein.
Deshalb feiern wir Weihnachten: Gott wohnt mit uns zusammen. Er freut sich mit uns, er leidet mit uns. Er streitet sich mit uns, er versöhnt sich mit uns. Er trauert mit uns und er jubelt mit uns.
Aber weil es Gott ist, der uns nicht nur besucht in kurzen heiligen Momenten, sondern mit uns zusammenlebt, bekommt unser Leben einen neuen Glanz. Geliebt, berufen, zugehörig.
Zu manchen Zeiten wirkt diese Lebensgemeinschaft mit Gott allerdings ganz fremd, eine Lebensgemeinschaft, die oft genug wie eine Fernbeziehung wirkt, oder wie ein Alleinlebens, ein Single-Dasein, ein Leben ohne Gott. Vielleicht kommt ja daher diese Unruhe, immer noch etwas haben, erleben, machen zu müssen. Eigentlich müsste man doch im Leben mit Gott alles wesentliche haben, erleben, machen. Stattdessen muss es immer etwas Neues sein und dazu kommt dann noch irgendwann noch die Angst vor dem Ende. Die Ewigkeit, aus der wir gekommen sind und in die wir zurück gehen, scheint dagegen wenig attraktiv, leer und tot und deshalb eher bedrohlich.
C.G. Jung herrschte deshalb einmal eine Patientin an: „Was, Sie glauben nicht an Gott und die Ewigkeit?! Kein Wunder, dass Ihr Seelenleben so atrophisch (ausgezehrt, abgemagert) ist!“
Was können wir aber machen, dass das Ewige auch bei uns einzieht, damit es uns nicht geht wie diesem Patienten mit ihrem abgemagerten Seelenleben?
Machen, Ewigkeit herstellen, geht nicht. Es fällt einem zu, wenn man sich öffnet und manchmal auch fordert. So wie bei meinem Kollegen, bei Nicky Gumbel oder bei Oscar.
In dem Buch Oskar und die Dame in Rosa empfiehlt eine alte Frau, die sich um Oskar, einen krebskranken Jungen kümmert, diesem, doch Briefe an Gott zu schreiben, in denen er ihm alle seine Sorgen und Nöte mitteilt. Oskar ist empört: Jetzt fangen Sie nicht auch noch mit Gott an! Ich bin damals schon mit dem Weihnachtsmann reingefallen. Gott gibt es nicht! Ich glaube nicht an Gott! Darauf erwidert sie: Denke an ihn! Je mehr du an ihn denkst, umso mehr wird es ihn für dich geben. Und er wird dich besuchen.
Oskar hat den Rat von Oma Rosa befolgt und Gott hat ihn besucht.

Er konnte in Frieden sterben, weil seine neu gewonnene Lebensgemeinschaft mit Gott blieb.
Weihnachten. Gott geht mit uns eine Lebensgemeinschaft ein. Für Oskar war es ein lebendiger Briefwechsel, für Nicky Gumbel sind es seine täglichen Gespräche mit Gott und sein bewusstes Erinnern daran. Für meinen Kollegen….
Wir werden es spüren, er wohnt nah hinterm Zaun. Mit ihm ist gut Nachbarschaft halten. Es tut gut, wenn ich darauf vertrauen kann, dass der Ewige in der Nähe wohnt. Wir können uns austauschen, wir können uns auch streiten.
Aber am Wichtigsten ist doch: Ich bin nicht mehr allein in meinem Menschen – Single – Schneckenhaus. Gott hat mit mir eine Lebensgemeinschaft gegründet.
Und so sind wir von Gott geliebt. Und so können wir auch davon erzählen, begeistert, freudig, für manche vielleicht wie ein Engel, wir sind berufen. Wir gehören zu seinem heiligen Volk.
Weihnachten ohne den Zauber der Krippe und doch zauberhaft. Gott besucht uns in unseren Gedanken, in unseren Herzen und also auch in unseren Häusern.
Und wenn’s nach ihm geht, so möchte er auch wohnen bleiben.
Wie endet Paulus noch gleich seien Gruß:
Euch allen wünsche ich Gnade und Frieden von Gott unserem Vater und von Jesus Christus unserem Herrn!
Amen.