Gottesdienst Predigt 26.11.2017

Predigt zu 1. Korinther 15, 35 – 44a - Pastor Henning Hinrichs


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
„Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Das sprechen wir Sonntag für Sonntag. Bei jeder Beerdigung versuche ich das als Hoffnung anzubieten, das unterscheidet u.a. eine christliche Bestattung von einer mit einem freien Redner, der beim Leben, wie es war, stehen bleiben muss. Sagen zu können, darauf vertrauen zu können: dies ist nicht das Ende für ihn, für sie, für uns. Das kann helfen, nicht nur beim Verlust, sondern auch darüber, wie unfertig und verquer Leben manchmal geblieben ist.
Aber wie soll ich mir das vorstellen – eine „Auferstehung der Toten“? Wie wird das zugehen? Mit was für Körpern? Sehen wir uns wieder?
Vielleicht standen Sie in den letzten Tagen vor dem schön gepflegten Grab, und haben sich gefragt: „Sieht er mich jetzt, wie ich hier stehe? Hört sie mich, wenn ich hier zu ihr spreche?“
In seinem 1. Brief an die Korinther bedenkt Paulus die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten. Er sucht nach Bildern, um sich und uns das zu erklären und um die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten nicht untergehen zu lassen im alleinigen Festklammern an Fakten.
Und Paulus sagt es so: Wenn du Getreide aussäst, muss die Saat doch auch zuerst sterben, ehe neues Leben daraus entsteht. Und was du säst – Weizen oder sonst eine Getreideart –, hat nicht das Aussehen der künftigen Pflanze; es sind Samenkörner und weiter nichts. Aber wenn der Samen dann aufgeht und zur Pflanze wird, bekommt er eine neue Gestalt – die Gestalt, die ihm von Gott bestimmt ist. Und aus jeder Samenart lässt Gott eine andere Pflanze entstehen.
Gott lässt eine Pflanze erstehen. Es ist ein Bild, wir werden nicht wiedergeboren als Pflanze, es ist ein Bild, ein Vergleich. Das kennt ihr doch aus eurem Leben: Ihr streut den Samen aus, und er verändert sich, er wird zu einer Pflanze vollendet. So ähnlich wird es auch beim Menschen sein.
Wo der Tod war, wird neues Leben sein. Und es wird anders sein, eine neue Gestalt haben. Wie damals, als hier alles wüst und leer war, Nichts war. Und Gott schuf die Welt, und es war gut – genauso wird es wieder gut.
Ich finde den Gedanken tröstlich, dass ewiges Leben nicht nur eine Verlängerung unseres Lebens hier sein soll. Das wäre doch letztlich eine traurige Hoffnung. Im letzten Kirchenjahr mussten wir von 45 Menschen hier aus unserem Kreis Abschied nehmen. Es sind Kinder dabei gewesen, Menschen in der Mitte des Lebens, Alte. Es sind solche dabei gewesen, deren Körper ihnen einiges abverlangt hat, der geschunden wurde, und andere, deren Sterben ein sanftes Dahingleiten war. Manche hat ein plötzlicher Unfall aus dem Leben gerissen, andere waren lebenssatt und sie haben den Tod herbeisehnt.
Was soll daran einfach nur verlängert werden, wo Leben viel zu kurz war, oder wo es voller Schmerz war?
Unser Leben trägt wie eine Saat die Verheißung nach etwas Wunderbarem, Vollendetem in sich, wie es eigentlich sein soll.: ein wunderschönes, vollkommenes, ewiges Leben in Gott.
Wenn Sie im Garten Saat aussäen, dann wissen Sie als erfahrene Gärtner, was daraus werden kann. Und auch wenn die Saat nicht wie erwartet aufgeht, auch wenn die zarten Triebe ausgerupft werden, Sie wissen, das da sollte eine Narzisse werden, und das da eine Tulpe. Wie schön sie an sich sind. Hatten sie auch ein unterschiedliches Leben, mache zerrupft, manche satt leuchtend. Sie ziehen viel schöner an als Salomonis Seide...
Alles vergeht in dieser Welt, früh oder spät, sanft oder voller Leiden, es ist unser Körper, der vergeht. Unser Körper vollendet sich nie. Nicht aber vergeht der von Gott geliebte und gerettete Mensch in seiner von Gott gewollten Gestalt, durch Gott, der weiß, was zu unserem erfüllten Leben noch fehlt, welches Schicksal wir auch hatten.
Das Bild von Samenkorn und der vollendeten Pflanze nutzt Paulus zur Veranschaulichung: Der menschliche Körper ist wie ein Samenkorn, das in die Erde gelegt wird. Erst ist er vergänglich, aber wenn er dann auferweckt wird, ist er unvergänglich. Erst ist er unansehnlich, dann aber erfüllt von Gottes Herrlichkeit. Erst ist er schwach, dann voller Kraft. In die Erde gelegt wird ein irdischer Körper. Auferweckt wird ein Körper, der durch Gottes Geist erneuert ist.
Es ist diese Verbindung mit Gottes Welt, die Paulus alles hoffen lässt. Und nicht nur für seine Zukunft, für die er nur Bilder hat, sondern schon jetzt in sein ganz konkretes und manchmal schweres Leben hinein.
Ich sterbe doch täglich, sagt Paulus. Aber alles, was ich erleide, ist aufgehoben im Leiden und Auferstehen Christi. Mein Leben ist im Glauben an Christus verbunden mit Gott. Und jeden Tag lebe ich von der Kraft der Auferstehung.
Erfahre ich Lieblosigkeit, so öffne ich mich für die unendliche Liebe Gottes. Bin ich traurig, so finde ich zu einer Freude, die doch noch unter der Traurigkeit ist und nie vergeht. Das ist alles unverweslich!
Sehe ich leidende Menschen, so weiß ich, Gott ist mit ihnen. Ich kann mich an ihrer Seite einfinden und handeln in der Gewissheit, dass es eine Vollendung geben wird. Das ist alles unverweslich!
Ist jemand an mir schuldig geworden, so überlasse ich meine tiefe Verletzung der großen Liebe Gottes, die alles heilen kann. Wird meine Seele von Trauer zerrissen, so versuche ich darauf zu vertrauen, dass die Liebe bleibt, die mich mit dem Verstorbenen verbindet. Das ist alles unverweslich!
„Manchmal treffe ich meinen Sohn“, erzählt ein Vater. „Ich male es mir aus in Gedanken und in Gefühlen. Denn meine Beziehung zu ihm bleibt. Meistens mache ich das beim Wandern. Wir sind früher oft zusammen gewandert. Dann gebe ich mich den Bildern hin.
Ich sehe ihn wieder neben mir gehen. Höre seinen Tritt. Höre seinen Atem. Meistens gehen wir schweigend, wie früher – wunderbar. Wir brauchen nicht viele Worte, genießen das stille Miteinander. Manchmal reden wir auch.
„Wie geht’s dir?“ frage ich ihn. Ich höre ihn lachen. „Es geht mir prima. So gut ging’s mir noch nie. Mach dir keine Sorgen.“ Dann höre ich, wie er mich fragt: „Und dir? Wie geht’s dir?“ Und ich erzähle ihm, wie sehr er mir fehlt bei allem, was ich tue. Dass sich ein Schleier über das ganze Leben gelegt hat seit seinem Tod.
„Ich weiß“, antwortet er. „Für euch ist es sehr schwer. Ich bin froh, dass ich dir wenigstens hier nahe sein kann.“ „Sehen wir uns wieder?“ „Ganz sicher. Wieder hier, sooft du willst, und eines Tages in Gottes Herrlichkeit.“
Die Trauer mag einen zerreißen. „Gott aber will“, schreibt Rainer Maria Rilke in einem Gedicht, „Gott aber will, dass wir uns wieder finden, reicher um alles Verlorene und vermehrt um jeden unendlichen Schmerz“
Ja, lasst Euch diese Hoffnung nicht ausreden! Auch wenn es arme, vorläufige, nicht zureichende Worte sind, wie in dieser Predigt. Aber es ist Hoffnung, Trost, Leben.
Amen.