Gottesdienst Predigt 04.02.2018

Predigt zu Hebräer 4,12 - 13 - Pastor Henning Hinrichs

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
beim Schreiben von Predigten versuche ich manchmal, mich in eine andere Person hinein zu versetzen, eine Person, die den Predigttext ohne Vorbereitung hört. Kniffelig wird es dann, wenn es jemand ist, der oder die, wie die meisten Kirchenglieder oder auch einige Ausgetretene, schon an Gott glaubt, so als Schöpfer vielleicht, der das hier alles irgendwann einmal erschaffen hat, aber sonst das Leben eben nicht mit der frommen Brille betrachtet. Und ich meine das gar nicht negativ.
Aber den wenigsten ist es ja gegeben, im Gebet etwa Gottes Stimme zu hören und ganz klar danach zu wissen, was Gott zu einem sagt, von einem will. Oder voller Gottvertrauen alles so hinzunehmen, wie es sich im Leben eben ergibt, vielleicht sogar als Weg Gottes, den er für mich vorgesehen hat. Wer das kann, hört biblische Texte auf eine entsprechende Weise. Und die anderen?
Etwa den heutigen aus dem Hebräerbrief: Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Die erste Reaktion wäre wohl: Lebendig und kräftig und schärfer? Das klingt nach Reklame: quadratisch–praktisch–gut. Oder nach
Olympia: schneller-höher-weiter. Vielleicht fällt auch jemandem ein, dass das mal ein Kirchentagsmotto war, 2007 in Köln war das: lebendig und kräftig und schärfer.
Aber man kann dann natürlich schon die Frage stellen: Wo begegnet es denn so, wie es hier beschrieben ist: Gottes Wort durch Mark und Bein gehend? Hört Ihr da etwas, das wir anderen bei aller Mühe nicht hören? In so stillen und manchmal ziemlich leeren Kirchen? Da muss man aber schon sehr genau hinhören! Hören Sie was, oder Ihr? Lebendig, kräftig, scharf, schneidend? Gottes Wort?
Ich kann Ihnen und Euch sagen: Ich habe Gottes Wort heute schon gehört. Sie auch übrigens. Wir hören Gottes Wort, wenn Texte aus der Bibel hier im Gottesdienst vorgelesen werden, wenn ich es zuhause oder sonst wo vorlese oder vorgelesen bekomme oder selbst still lese.
Wie eben, als Lisa Minich von dem Sämann und dem sehr unterschiedlichen Untergrund gelesen hat. Ein Text aus der Bibel. Gottes Wort an uns.
Das Wort Gottes, also dass Gott zu uns spricht, ereignet sich nicht nur im Gebet oder wabert jetzt so durch den Raum, spontan oder für viele unhörbar. Das Wort Gottes steht. Es steht da, ist nachlesbar. Vorlesbar.
Wir Evangelischen erkennen daher als Quelle der Verkündigung und der Kirche außer und neben diesem einen Wort Gottes, wie es in der Bibel festgehalten wurde, keine anderen Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten an. Keinen Papst, keinen Guru, keine Heilsmethode als eindeutigen Ausdruck des Reden Gottes.
Andererseits identifizieren wir Christen und Christinnen das Reden Gottes mit einer einzigen Person, wir sagen: Jesus Christus ist das Wort Gottes. Was heißt: In diesem Menschen Jesus von Nazareth begegnet Gott, deshalb hat er den Titel Christus, was Gesalbter, Messias heißt.
Wer Jesu Worte hört, hört Gott sprechen. Nachzulesen wieder in der Bibel – wenn auch durch die Feder von Matthäus bis Johannes hindurch, wenn auch durch Menschen wie Paulus, den Verfasser des Hebräerbriefes und andere hindurch.
Was im Gebet ganz im Privaten passiert, allein zwischen mir und Gott, oder wo sonst Gott etwas in mein Leben hineinspricht, ist für andere oftmals nicht nachvollziehbar. Man kann darauf mit einem abschätzigen „Du spinnst ja!“ reagieren, mit einem etwas unschlüssigen: „Wenn du meinst….“, oder, wenn man sich mit Menschen umgibt, die ähnlcuhe Erfahrungen oder Interpretationen haben, mit einem: „Gepriesen sei der Herr. Amen.“
Aber dieses Wort Gottes, wie es in der Bibel steht, ist öffentlich, für alle zugänglich, in jedem Gottesdienst geht es um dieses Wort in Auszügen. Dieses Wort ist mit den Jahren an manchen Stellen für uns etwas unverständlich geworden, weil wir lange Zeit später leben, aber es ist nicht geheim. Es muss interpretiert, in unsere Zeit hinein gesprochen werden, aber es ist für alle zugänglich.
Der Knackpunkt, vielleicht ging Ihnen das während meiner Worte zwischenzeitlich schon durch den Kopf, der Knackpunkt ist: die meisten haben es im Regal stehen, aber wer schaut regelmäßig hinein? Wir haben Gottes Wort verfügbar, aber nutzen diese Ressource kaum.
Stellen Sie sich vor: Sie stehen neben dem Wasserhahn, trinken aber nicht. Sie sitzen am gedeckten Tisch, essen aber nicht. Sie sind bei einem geliebten Menschen, reden und umarmen aber nicht. Sie tragen Gottes Wort bei sich, lesen und hören es aber nicht.
Das passiert ja wohl nur, wenn das da bei Ihnen gerade kein Bedürfnis befriedigt oder Sie es noch nicht als das erkennen, was es ist. Sie haben keinen Durst, keinen Hunger, kein Bedürfnis nach Austausch oder haben sich gerade gestritten, für Sie ist die Bibel gar nicht so recht das Wort Gottes, oder eigentlich geht es auch ganz gut ohne.
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Das klingt so, als wenn einen Gott mit seinem Wort überrumpeln will. Ein Richter spricht ja auch das Urteil, ob ich das will oder nicht. Aber auch da ist es so, dass das Verfahren erst einmal eröffnet werden muss. Ein Richter handelt nicht von sich aus, willkürlich, es muss einen Anlass geben.
Möglicherweise wird es am Ende so etwas geben, eine Rechenschaft aus Anlass unseres Lebens, wie es in der Bibel dargestellt wird, vielleicht anders als dort durch Menschenfedern beschrieben. Aber hier und jetzt steht die Frage: Lässt du Gottes Wort lebendig und kräftig und schärfer sein? Es ist es nämlich, lebendig und kräftig und schärfer - wenn du es zulässt.
Und so wie du irgendwann Durst hast und trinken musst, essen muss, Menschen um dich haben musst, so muss es mit Gottes Wort sein. Du brauchst es.
Menschen sind verschieden, davon erzählt das Gleichnis vom Sämann, wir sind der Untergrund, auf den Gottes Wort fällt, mal verdorrt es an uns, wird erstickt von uns, mal wächst es in uns. Da hat jeder, jede ganz unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen, manche sind über Kindergottesdienst, Jugendgruppe oder Bibelkreis vertraut damit, für manche kommt es gleich nach Chinesisch und Latein, fremdartig und unerreicht.
Und wenn man diesen Bibeltext jetzt wirklich auf sich bezieht, dann muss man sich ja die Frage stellen: Wer bin ich von den vieren? Und dann schneidet dieses Gleichnis vielleicht wirklich durch Mark und Bein, weil es unangenehm werden kann: was bist du denn für einer, eine? Welche Rechenschaft müsstest du am Ende geben?
Aber wie in der Schule kann ich das fatalistisch hinnehmen oder etwas tun. Oder mir Unterstützung holen. Und wie in der Schule liegt es auch an mir, ich muss anerkennen, dass das jetzt absolut Sinn macht, sich einzusetzen, manchmal abzumühen mit dem Wort Gottes, das gar nicht weit weg ist. Es ist da.
Und ich kann jeder dieser vier Untergründe werden, vielleicht nicht so fett fruchtbar wie die Frommen, aber doch schon guter Boden, auf dem Gottes Wort wächst. Das ist keine Festlegung, sondern eine Ermahnung: Nutze diese Ressource, Gottes Wort an dich, heute schon!
Und der Friede Gottes, der größer ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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